Aktuelle Rechtsprechung im Architektenrecht
Stimmen die Ausführungs- und Genehmigungsplanung nicht überein, so kann der Auftraggeber kündigen!
1. Ein Architektenvertrag kann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn die Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber unzumutbar ist.
2. Ein wichtiger Kündigungsgrund ist anzunehmen, wenn der Architekt das für den Architektenvertrag vorauszusetzende Vertrauensverhältnis durch sein schuldhaftes Verhalten derart empfindlich stört, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und dem Auftraggeber die Vertragsfortsetzung nicht mehr zugemutet werden kann.
3. Ist die vom Architekten erbrachte Ausführungsplanung in mehrfacher Hinsicht mit erheblichen Mängeln behaftet (hier: weil sie in eklatanten Widerspruch zur Baugenehmigung steht) und haben sich die Planungsfehler bereits im Bauwerk manifestiert, ist die Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber nicht zumutbar.
4. Haben sich die gravierenden Fehler der Ausführungsplanung bereits im Bauwerk verkörpert, setzt eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht voraus, dass der Auftraggeber vor Ausspruch der Kündigung die Fehler rügt oder anmahnt.
Abdichtungsarbeiten müssen in besonderer Weise überwacht werden
1. Bei Abdichtungs- und Entwässerungsarbeiten handelt es sich um besonders gefahrträchtige Arbeiten, die in besonderer, gesteigerter Weise vom Architekten beobachtet und überprüft werden müssen.
2. Kommt es bei Abdichtungs- und Entwässerungsarbeiten zu Ausführungsmängeln, spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Architekt seine Bauüberwachungspflicht verletzt hat. In einem solchen Fall ist es Sache des Architekten, den Beweis des ersten Anscheins dadurch auszuräumen, dass er seinerseits darlegt, was er oder sein Erfüllungsgehilfe an Überwachungsmaßnahmen geleistet hat.
3. Der Architekt, dem eine Verletzung seiner Überwachungspflicht vorgeworfen wird, hat demnach substanziiert darzulegen, welche Überwachungstätigkeit er durchgeführt hat, dass er in genügendem Maße seiner Pflicht zur Bauüberwachung nachgekommen ist und diesbezüglich ausreichende Überwachungsmaßnahmen geleistet hat.
4. Für eine ordnungsgemäße Mängelanzeige ist es ausreichend, wenn der Auftraggeber die jeweiligen Mangelerscheinungen (Symptome) hinreichend genau bezeichnet. Damit sind zugleich auch alle Ursachen für die bezeichneten Symptome erfasst. Dies gilt selbst dann, wenn die angegebenen Symptome des Mangels nur an einigen Stellen aufgetreten sind, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werks das gesamte Gebäude erfasst.
5. Eine (weitere) Aufforderung zur Mängelbeseitigung ist entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung eindeutig von der vorherigen Zahlung des Restwerklohns abhängig macht.
Rücksichtnahmegebot zugunsten des Nachbarn ist auch bei einem Bebauungsplan zu beachten
Ein fünfstöckiges Bauvorhaben, das auf einer nicht überbaubaren Fläche eines Blockinnenbereichs errichtet werden soll, kann aufgrund seiner Massivität gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB verstoßen, obwohl es den bauordnungsrechtlichen Mindestabstand von 0,4 H auf dem Baugrundstück einhält.
Architekt ist trotz Zustimmung des Bauherrn für Planungsfehler verantwortlich;
ein Abzug „neu für alt“ hängt vom Einzelfall ab
1. Der mit der Planung beauftragte Architekt trägt allein das Risiko der Auswahl der Konstruktion (hier: Fußbodenaufbau einer Großküche). Dieses Risiko kann er nicht auf seine Auftraggeberin verlagern, indem er diese vor der Ausführung in seine Planungsüberlegungen einbezieht und ihre Zustimmung einholt. Denn diese Zustimmung steht - zumindest stillschweigend - unter der Bedingung des Gelingens.
2. Ein Abzug „neu für alt“ kommt nur in Betracht, wenn der Mangel erst sehr spät in Erscheinung tritt, der Auftraggeber das Werk bis dahin aber ohne Beeinträchtigungen nutzen konnte und durch die Nachbesserung im Wege der Neuherstellung die Lebensdauer des Werks entscheidend verlängert wird. Dagegen scheidet eine Vorteilsausgleichung in Fällen, in denen der Unternehmer die Nachbesserung unter Bestreiten der Mangelhaftigkeit lange hinauszögert und der Auftraggeber während dieses Zeitraums das mangelhafte Werk nur eingeschränkt nutzen kann, grundsätzlich aus. Der Werkunternehmer soll dadurch, dass er den werkvertraglichen Erfolg nicht sofort, sondern erst verspätet im Wege der Nachbesserung erreicht, nicht bessergestellt werden.
Das Einfügen von Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung
1. Baulichkeiten können auch dann die Eigenart der näheren Umgebung prägen, wenn sie nicht imstande sind, einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden (Abgrenzung zu BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - BVerwGE 152, 275).
2. Ein Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es dort Referenzobjekte gibt, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar sind. Die Übereinstimmung nur in einem Maßfaktor genügt nicht.
Verjährungsbeginn von Gewährleistungsrechten bei phasenweiser Beauftragung des Architekten
1. Ist der Architekt lediglich mit Leistungsphasen 3 und 4 beauftragt, gibt der Bauherr mit Einreichung genehmigungsfähiger Bauunterlagen zu erkennen, dass er die erbrachten Architektenleistungen im Sinne einer Abnahme billigt.
2. Bei stufenweiser Beauftragung schuldet der Architekt zunächst als selbstständigen Werkerfolg nur die bereits beauftragten Leistungen. Demgemäß richtet sich die Frage der Mangelhaftigkeit - und damit auch die Verjährung von Mängel- bzw. Gewährleistungsansprüchen - selbstständig nach diesem Planungsstadium.
3. Lehnt der Auftraggeber die Entgegennahme des Werks als Erfüllung ab, indem er die Abnahme endgültig verweigert, beginnt die Verjährung der Mängelansprüche. Eine Abnahmeverweigerung kann darin liegen, dass er wegen eines angeblich funktional erheblichen Mangels die Zahlung des Resthonorars beharrlich verweigert und seinerseits eine Klage auf Schadensersatz erhebt.
4. Die Entgegennahme der Architektenleistungen und die Rüge lediglich unerheblicher Mängel innerhalb einer Prüfungsfrist von höchstens sechs Monaten lassen sich als konkludente Abnahme der Vertragsleistungen des Architekten im Übrigen verstehen. (Leitsätze der Redaktion, NJW-RR, 2/2017, S 79 f.)
Verlängerte Gewährleistungsfrist wegen arglistigem Verhalten:
Ein Bauleiter handelt arglistig, wenn ihm ein offenbarungspflichtiger Mangel bekannt war oder er die Augen vor offenkundigen Mängeln verschlossen hat und dadurch die Mangelhaftigkeit des Werks billigend in Kauf nahm.
1. Der Auftragnehmer verschweigt einen Mangel arglistig, wenn ihm bewusst ist, dass dieser für den Auftraggeber von Erheblichkeit ist und er ihn trotzdem nicht offenbart.
2. Einem Auftragnehmer ist nur die Arglist der Mitarbeiter zuzurechnen, derer er sich bei der Erfüllung seiner Offenbarungspflicht gegenüber dem Auftraggeber bedient. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn er einen Bauleiter (auch) mit der Prüfung des Werks auf Mangelfreiheit betraut hat und er sich dessen Angaben ungeprüft zu eigen macht.